Die Kastration beim Hund - Neue Wege müssen wir gehen! 

Ich bin nun seit 13 Jahren Tierärztin, 13 Jahre, in denen auch die Tiermedizin einen Wandel erlebt hat. Und das ist auch gut so, denn würden wir Tierärzte uns nicht ständig in unserem Wissen weiter entwickeln, wären wir sicherlich noch der Viehdoktor aus dem letzten Jahrhundert.


Ich gehöre noch zu einer Generation von Tierärzte, denen von unseren Lehrmeistern beigebracht wurde, daß es völlig normal und alltäglich ist, einen Hund zu kastrieren. Ohne viel darüber nachzudenken, wurde dann auch so ziemlich alles kastriert, was seine Nase durch die Praxistür gesteckt hat. Auch den Besitzern wurde das Gefühl gegeben, daß der Wunsch nach der Kastration ihres Tieres völlig in Ordnung ist und sie sich gar keine großen Gedanken machen müssen. Klar, wir haben ein Narkoserisiko, natürlich, das Tier hat danach Schmerzen und ach ja, Inkontinenz nach der Kastration kann vorkommen, muss aber nicht und wenn sie mit dem Futter aufpassen, wird er/sie auch nicht zu dick...aber was ist das alles gegen ein gesenktes Gesäugetumorrisiko, keine Blutschmierereien mehr bzw. gegen einen lammfrommen Rüden??? So oder so ähnlich liefen die Beratungsgespräche Anfang dieses Jahrhunderts ab.


Um aber an meine anfägliche Aussage zurück zu kommen. Ich als Tierärztin habe die verdammte Pflicht, mich zum Wohle der Tiere fortzubilden und mich in meinem Denken und Handeln weiter zu entwickeln. Zuallererst sollte jedem Besitzer klar sein: mit der Kastration eines Tieres fügen wir diesem Schmerz und Schaden zu (Verstoß gegen §1 Tierschutzgesetz: Niemand darf einem Tier ohne vernünftigen Grund Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügen.). Zum anderen zeigt eine Studie vom Frühjahr diesen Jahres, daß bei kastrierten Hunden das Risiko an bösartigem Haut-, Gefäß-, Knochen- und Lyphdrüsenkrebs zu erkranken, um ein Mehrfaches erhöht ist (Journal of the American Veterinary Medical Association 05/2015). Prostatatumore treten bei Kastraten sogar häufiger auf als bei ihren intakten Artgenossen.


Was viele Besitzer nicht wissen ist, daß die Geschlechtshormone nicht nur für die Fortpflanzung eines Tieres wichtig sind, auch Immunsystem, Knorpel- und Gelenksentwicklung und die Psyche stehen stark unter dem Einfluß von Östrogen/Testosteron.


Außerdem verliert das Kampfargument Gesäugetumor seinen Schrecken, wenn man sich bewußt macht, daß nur etwa 1,9% der unkastrierten Hündinnen an Gesäugetumoeren erkranken und die Hälfte dieser Tumore gutartig sind.


Es gibt noch so einiges, was man über dieses Thema schreiben könnte, aber das würde diesen Rahmen hier sprengen. Ich bevorzuge dafür das Beratungsgespräch mit dem Besitzer. Denn eins ist sicher: kein Hund wird in meiner Praxis kastriert, bevor ich nicht mit dem Besitzer ausführlich gesprochen habe. So eben mal kastrieren gibt es hier nicht. Und tatsächlich ist es so, daß so mancher Besitzer mit einem Kastrationswunsch meine Praxis gut beraten und mit einem unkastrierten Tier verläßt. Und meistens sind diese Besitzer dann sogar erleichtert, denn das schlechte Gewissen, seinem Tier Schmerzen zuzufügen, nagt ja schon an so manchem.


Falls eine medizinische Indikation besteht, wird natürlich die Kastration von mir nicht in Frage gestellt.


Zu guter Letzt noch eine Bemerkung: dieser Artikel bezieht sich ausschließlich auf den Hund. Es gibt andere Tierarten, wie Katzen oder Kaninchen, deren unkontrollierte Vermehrung nur durch eine Unfruchtbarmachung zu beherrschen ist. Als Hundebesitzer sollte man jedoch in der Lage sein, dies zu kontrollieren.